Einkaufen als Herausforderung

Ich gestehe es: Der samstägliche Einkauf hat sich in den Jahren zu einem richtigen Ritual entwickelt. Fällt der wöchentliche Gang ins Dorf für einmal ins Wasser, machen sich schon nach kurzer Zeit Entzugserscheinungen breit. Die Folge davon sind Schweissausbrüche, Gliederschmerzen und eine unbeschreibliche innere Leere.
Start ist um 8.15 Uhr, ausgerüstet mit Einkaufszettel und dem guten Willen, alles mir von meiner Frau Aufgetragene, ordnungsgemäss nach Hause zu bringen. Erster Halt bei meinem Freund Jörg. Dort erwartet mich der sechsjährige Moises, der mich bittet, bei den Grossverteilern die verschiedenen Sammelsticker zu verlangen, damit er seine Alben vervollständigen könne.
Kaffeepause im Cafe Caprice. Jörg und ich hecheln eine Stunde lang die lokale-, eidgenössische und die Welt-Politik durch, in der Gewissheit, dass sowieso alles beim Alten bleibt. Um uns herum kämpft sich das tablettbewehrte Servicefachpersonal zwischen spielenden Kindern, dösenden Hunden und quengelnden Gästen durch, immer auf der Hut, nicht die Kontrolle über ihr kostbares Gut zu verlieren.
Nachdem wir beide die politische Basisarbeit verrichtet hatten, trennen wir uns. Jörg macht sich auf, seine Einkäufe zu erledigen. Ich wechsle das Lokal. Im «Vitrum» erwarten mich bereits die ersten Kollegen, die der senilen Bettflucht erlegen, noch zaghaft am Espresso nippen. Am Tisch, der sich in den Jahren immer mehr zum Debattierpodium entwickelt hat, werden die Teilnehmer immer zahlreicher. Ein alt Gemeindepräsident mit Gattin, ein ehemaliger Bobweltmeister, ein ausrangierter Hürdenläufer, der Nachfahre einer vergangenen Sissacher Metzgerdynastie, ein ehemaliger Viehdoktor, der heute geschlachteten Truthähnen in den Hintern schaut, mein Velokumpel mit Ehefrau, die sich in allen Verwandtschafts-Verstrickungen im Oberbaselbiet auskennt und viele mehr, die zu einem angeregten Gespräch beitragen.
Im Nu vergeht die Zeit und die Welt scheint, dank der engagierten «Vitrum»-Runde gerettet. Für mich heisst es nach zweieinhalb Stunden angeregtem Diskutieren und andächtigem Zuhören, auf die Socken zu machen, um mich meiner Kernaufgabe, dem Einkaufen zu widmen. Beim Verkaufsstand von Bruno Attanasio lockt frisches, knackiges Gemüse und Obst, das es einem Dank südländischer Anpreisung leicht macht, gekauft zu werden.
Beim Bio-Bauern Graf vom Hof unter der Fluh ist der Andrang gross. Im Gegensatz zu den meisten Kunden, die sich motorisiert in der Begegnungszone bewegen, stauen sich vor den Gemüsekisten und Spankörben mit hiesigem Obst und Gemüse, Selbstgebranntem, Eingemachtem und Butterzöpfen die Fahrräder. Auch hier wird man schnell in eine Diskussion verwickelt oder wird von einem Alt-Landrat auf Ungereimtheiten in der letzten Ausgabe der «Volksstimme» hingewiesen.
Schnell noch Brot und zwei Crèmeschnitten vom Bäcker Gunzenhauser, einen Blumenstrauss für meine Gemahlin – ja, sie haben richtig gelesen – und zu den beiden Grossverteilern, um an die Sammelsticks für Moises zu kommen. Auf dem Heimweg ein letzter Halt beim «Milchhüüsli», um mich mit Käse, gereiftem Käse und nicht gummiartigen Analog-Produkten, einzudecken.
Zu Hause werden die getätigten Einkäufe von meiner Frau kontrolliert. Und siehe da. Im ganzen samstäglichen Einkaufs- und Weltverbesserungs-Tohuwabohu ging der Kalbsrollbraten, den ich extra bei Metzger Häring vorbestellt habe, vergessen. Nicht schlimm meint meine verständnisvolle Gemahlin: «Wir gehen auswärts essen und Metzger Häring gönnt sich den Kalbsrollbraten.»

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